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13.10.2021

Wilde Jahre, Cookies, Cream:
Stephan Hentschel im Interview


 

Du bist seit 20 Jahren in Berlin. Wie hat sich die Stadt, wie hast du dich verändert?

Stephan: Natürlich es hat sich vieles verändert, aber ich bin gar nicht traurig darüber, denn ich freue mich immer, wenn Veränderungen stattfinden. Mitte war damals viel vielfältiger. Es gab Punks auf der Straße und trotzdem Anzugträger, Anwälte, Schauspieler und Musiker.  Ich finde es gut, dass die Karawane weiterzieht zum Beispiel nach Friedrichshain und Kreuzberg, das waren ja damals keine Ausgehviertel. Ich war jahrelang Clubgänger, aber ich habe in den letzten Jahren eher Festivals für mich entdeckt. 

Aber durch meinen Job, durch den Erfolg vom Cookies Cream bin ich natürlich in den letzten Jahren viel rumgekommen und habe trotzdem noch mal ganz anderes Fuß gefasst in Berlin. Und natürlich hat sich auch das ganze Thema der vegetarischen Küche verändert: Wenn man damals zu viert ausgegangen ist und es waren zwei Vegetarier und zwei Fleischesser, wäre man nie auf die Idee gekommen, vegetarisch essen zu gehen. Die Vegetarier mussten sich beugen. Heute ist das anders. Heute gehst du mit drei Fleischessern und einem Vegetarier zu uns und am nächsten Tag in ein Grillrestaurant.

Wie ging es bei dir los mit dem Kochen?

Stephan: Ich komme aus Riesa, 1998 habe ich meine Lehre mit 16 in Münster angefangen. Ich bin oft nach Berlin gekommen um Platten zu kaufen und DJs zu sehen und habe dann immer bei Freunden in der Torstraße gewohnt.

Im Jahr 2001 bin ich nach Berlin gezogen und habe erst mal in ein paar kleinen Cafés gearbeitet. Meine erste kulinarisch interessante Station war das Noiquattro am Strausberger Platz, ein kleines italienisches Restaurant, das im Feinschmecker gute Kritiken hatte. Man darf nicht vergessen: Damals war Berlin kulinarisch bei weitem nicht so weit wie jetzt. Man konnte an fünf Fingern abzählen, welche Restaurants eigentlich interessant waren. Und nach der Zeit im Noiquattro, habe ich dann den Entschluss gefasst, ins Facil zu gehen und mich da auf gehobene Küche zu konzentrieren. 

Dabei war eigentlich schon klar, dass ich irgendwann im Cookies anfangen würde, weil ich wusste, dass der damalige Küchenchef die Bar 25 aufmachen wollte.

Denkst du, dass die wilden Jahre in Berlin Einfluss auf deine Art zu kochen hatten?

Stephan: Ja schon, aber natürlich war auch viel von Cookie, unserem Chef, geprägt. Wir haben 2007 angefangen. Die Prämisse: vegetarisch, keine Pasta, kein Reis, kein Tofu. Cookie ist Vegetarier und wenn du damals als Vegetarier Essen gegangen bist, gab es beim Italiener Pasta mit Gemüse, beim Asiaten Reis mit Tofu und in allen anderen Restaurants wurde die Beilage vergrößert.

Deswegen haben wir gesagt: Lasst uns das Gemüse zum Star machen. Das war die Challenge. Als wir eröffnet haben, gab es ein Drei-Gang-Menü für 28 Euro. Aber selbst das war den Leuten zu teuer. Was, 28 Euro für drei vegetarische Gänge?

Wir haben außerdem viele internationale Einflüsse, durch meine Reisen. Ich bin in Japan, Südamerika und in Afrika gewesen und habe von überall etwas mitgebracht.

Trotzdem sind wir in den letzten Jahren viel puristischer geworden, gerade durch die japanischen Einflüsse. Und dabei haben wir es geschafft, unser eigenes Geschmacksbild und unser eigene Präsentation zu erschaffen.

Trotz der Inspiration aus Japan schließt ihr Tofu jedoch weiterhin komplett aus?

Stephan: Da kommen wir jetzt nicht mehr drumrum. Als wir angefangen haben, gab es einfach kein gutes Tofu, das war alles Gummi-Zeug. Jetzt gibt es hier in Berlin schon gute Produzenten, die ein Seidentofu herstellen, das Spaß macht. Es gibt überhaupt inzwischen schon gute Surrogat-Produkte, egal ob nun Tofu, Schnitzel, Hähnchen, Nuggets und so was. Ob man das jetzt mag oder nicht.

Wie hat es sich angefühlt einen Michelinstern zu bekommen?

Stephan: Das war einfach krass. Wir hatten gerade zehnjähriges Jubiläum im Cookies und zu dem Anlass eine kleine Jubiläumstour hinter uns – Ibiza, Zürich und London. Und dann sind wir zurückgekommen, haben eine Woche lang im Cookies jeden Tag 50 bis 100 Personen eingeladen. Presse, enge Freunde, Stammgäste. Am Samstagabend nach dem fünften Tag kam dann um 18.00 Uhr der Anruf vom Guide Michelin. Wir waren alle komplett im Arsch von den Nächten davor. Dann bin ich rein in die Küche und habe meinen Köchen gesagt: Wir haben einen Stern. Und alle sind ausgerastet. Am Dienstag darauf war die Verleihung, danach wieder zurück an die Arbeit. Das waren exzessive zehn Tage

Was hältst du von TV-Fernseh-Formaten, hat es dich als vegetarischer Koch nie gereizt da mitzumachen?

Stephan: Ich hatte früher keinen Bezug zur Kochshows, das waren für mich Hampelmann-Geschichten. Ich hatte viele Anfragen, habe sie aber immer abgesagt, weil mir die Formate nicht gefallen haben.

Jetzt gibt es ein paar schöne, wie zum Beispiel Kitchen Impossible. Aber ich kann mir sowas keine vier Stunden angucken, da ist mir dann auch die Musik zu theatralisch. Und von Chef’s Table habe ich insgesamt 20 Minuten geguckt, ich höre mir lieber einen Podcast an. Ich bin auch nicht bei Instagram. Der Vorteil davon ist, dass wir eine eigene visuelle Sprache entwickeln konnten. Ich habe nämlich das Gefühl, dass inzwischen überall alles gleich aussieht auf den Tellern, weil alle alles angucken.

Ist es unbedingt notwendig, dass man wissen muss, wie ein Tier zerlegt wird in der Koch-Lehre?

Stephan: Das finde ich fragwürdig, das sollte so nicht sein. Generell gibt es in unserer Gesellschaft keinen Grund, Fleisch zu essen. Ich bin selber Fleischesser, ich esse das als Genuss, aber man braucht es nicht mehr. Deswegen sollte man auch eine duale Ausbildung anbieten, in denen Vegetarier nicht unbedingt mit Fleisch und Fisch arbeiten müssen. Das größte Problem ist bei den praktischen Prüfungen: Ein Drei-Gänge-Menü, als Vorspeise ein weißer Fisch und Garnelen, im Hauptgang ein Stück Fleisch und Bacon, der mit verarbeitet werden muss. Du bist bei fünf bis neun Lebewesen, die da erst mal hops gehen und hast nur nur drei Gemüse auf dem Teller. Da stimmt was nicht.

Da wird sowieso noch einiges auf uns zukommen: Der Kochberuf hat an Fahrt verloren. Er macht natürlich immer noch Spaß, aber die Arbeitszeiten sind genau so beschissen wie früher. Was gut ist: der Mindestlohn. Gute Betriebe versuchen inzwischen auf die Vier-Tage-Wochen zu gehen, um eine Work-Life-Balance zu schaffen und familienfreundlich zu sein. Das muss man heutzutage einfach anbieten, um Mitarbeiter zu halten oder überhaupt zu bekommen.

 

 

Instagram: cookiescreamberlin

Website: cookiescream.com

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